Nach einem holprigen Start mit ihrer Gastfamilie ...

... wird Manitoba für Lilly der perfekte Ort für ihr Auslandsjahr

Lilly und ihre kanadischen Freunde in Roblin, Manitoba
Lilly und ihre kanadischen Freunde in Roblin, Manitoba

Die 15-jährige Lilly ist Einzelkind und lebt mit ihren Eltern in der Nähe von Frankfurt. Sie zeichnet gerne, wandert, fotografiert und ist ein großer Naturfan. Auch deshalb hat sie sich für ein Auslandsjahr an einer Schule in der kanadischen Provinz Manitoba entschieden. „Ich war vergangenes Jahr zwei Wochen ohne meine Eltern auf Norderney und auch auf Klassenfahrt in Österreich“, erzählt Lilly. „Doch mir war schon klar, dass die lange Zeit in Kanada sicher eine ganz andere Nummer sein würde.“ 

 

Seit Anfang September lebt Lilly nun schon in Roblin, einer Kleinstadt in Manitoba – genauer: in der Manitoba Parkland Region, einer endlosen Weite mit sanft wogender Prärie, dichten Wäldern und glasklaren Seen. Hier verbringt sie insgesamt zehn Monate bei ihren Gasteltern Shed und Lisa und deren 16-jähriger Tochter Courtney. Außerdem hat sie zwei Gastbrüder, die aber schon berufstätig sind und nicht mehr zuhause leben. Roblin hat rund 1800 Einwohner, es gibt ein Freibad und ein Eisstadion und die Stadt liegt mitten zwischen zwei Nationalparks. 

Kurzer Schreck bei der Ankunft

Schon von Deutschland aus hat Lilly ihr neues Zuhause unter Augenschein genommen und herausgefunden, dass sie in einer ruhigen Gegend leben wird und die Schule ganz in der Nähe ist. Durch Emails hatte sie auch schon Kontakt zur Gastfamilie. Trotzdem war das erste Aufeinandertreffen holprig: „Meine Ankunft in der Gastfamilie war echt ein bisschen katastrophal“, erinnert sie sich. „Eigentlich sollten wir uns alle an der Schule treffen und dort abgeholt werden. Und dann wurden eben alle abgeholt, nur ich nicht. Das war ein dummes Gefühl.“ Lillys Gasteltern waren unterwegs und hatten den Termin schlicht verschwitzt und ihre Tochter war alleine daheim. „Da stand ich dann mit meinem Gepäck“, erzählt Lilly weiter. „Aber die Homestay-Managerin hat dann meine Gasteltern angerufen und das war dann schon fast wieder lustig.“

 

Als die Homestay-Managerin Lilly zu ihrer Gastfamilie gefahren hatte, kam Gastschwester Courtney schon aus dem Haus gerannt und umarmte Lilly fest. „Wir haben gemeinsam mein Gepäck reingebracht und dann kamen auch meine Gasteltern und alles war wieder gut“, erinnert sie sich. „Ich bin erstmal in mein Zimmer gegangen, um mich einzugewöhnen, meine Sachen auszupacken und einzuräumen. Ich war auch wirklich müde und erschöpft.“ Abends schaute Lilly noch gemeinsam mit ihrer Gastmutter einen Film und schon nach diesem Tag weiß sie: „Mit dieser Familie werde ich viel Spaß haben.“ 

Anspruchsvoller Lehrplan

Lillys Schule ist die Goose Lake High School. Dort lernen etwa 175 Schüler. Neben den obligatorischen Schulfächern können die Jugendlichen dort auch Spezialkurse wie Electricity besuchen, einer AG wie dem Art-Club beitreten oder eine von zahlreichen Sportarten ausüben. Die Goose Lake High gehört zur Mountain View School Division, welche großen Wert auf einen anspruchsvollen Lehrplan und eine positive Lernatmosphäre legt. Die internationalen Schüler werden dort unkompliziert in den Schulalltag integriert und durch die vielen extracurricularen Angeboten, haben Gastschüler wie Lilly jede Menge Möglichkeiten, kanadische Schüler kennenzulernen. Der School Counsellor und der Coordinator of International Education sorgen dafür, dass die Austauschschüler stets einen Ansprechpartner für ihre Anliegen haben.

Viel Spaß beim Curling und der Jahrbuch-Gruppe

Lilly hat schnell Anschluss und Freunde gefunden
Lilly hat schnell Anschluss und Freunde gefunden

Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten hat Lilly schnell Freunde gefunden. „Ich habe mich einfach in den Fünf-Minuten-Pausen zu anderen Schülern gesetzt“, erklärt sie. „Wir haben zusammen gelacht und viel gesprochen. Auch durch außerschulische Aktivitäten habe ich viele Leute kennengelernt.“ Lillys Schulalltag beginnt morgens um 8.40 Uhr, dann macht sie sich auf den Weg zur Schule. Der Stundenplan ist jeden Tag gleich: Englisch, Drama, Englisch für Internationals, Computer und Science. 

 

Im Englisch-Kurs haben Lilly und ihre Klasse schon zwei Bücher gelesen: „Eines über die First Nations von Kanada und Romeo und Julia“, erklärt sie. „Danach haben wir dann Drama beim gleichen Lehrer und Englisch speziell für die Austauschschüler.“ In der Mittagspause geht Lilly oft nach Hause und isst dort. Danach geht es wieder zur Schule. „Im Computer-Kurs machen wir Projekte mit Powerpoint und Word oder recherchieren zu einem Thema. Danach habe ich noch Science. Das fällt schwer, weil es die letzte Schulstunde ist.“  Um kurz vor 16 Uhr geht es für Lilly wieder nach Hause. Einmal in der Woche geht die 15-Jährige zum Badminton, außerdem ist sie Ersatzspielerin beim Curling und als Fotografin in der Jahrbuch-Gruppe. 

Erstes Heimweh

Lillys Wohnort Roblin liegt mitten in der Prärie: „Die Gegend in der ich wohne ist sehr flach, es gibt wenige Bäume aber viele Felder und Seen“, erklärt sie. „Roblin liegt zwar in Manitoba, ist aber ganz nah an der Grenze zu Saskatchewan.“ Vorgestellt hat Lilly sich Kanada anders – mit vielen Bergen. „Aber es ist trotzdem wunderschön“, beeilt sie sich zu sagen. „Hier ist alles so weitläufig – ganz anders als in Deutschland.“

 

Auch wenn ihr Kanada so gut gefällt, gab es schon Momente, in denen Lilly Heimweh hatte. „Dann haben meine Freunde gesagt: Wieso, du hast doch uns? Wir sind deine zweite Familie“, erinnert sie sich. „Da musste ich dann schon wieder lachen.“ Wenn es doch mal wieder soweit ist, hilft es der 15-Jährigen Bilder von zuhause anzuschauen. „Ich bin mit meiner Entscheidung nach Kanada zu gehen sehr zufrieden“, berichtet sie. „Ich hätte nie gedacht, dass es so dermaßen Spaß macht. Ich kann so viel entdecken und erleben – so fühlt sich Freiheit an.“

Neue Selbstständigkeit

Durch diese Freiheit hat sich Lilly verändert. „Ich selbst und auch meine Eltern merken, wie selbstständig ich geworden bin“, verrät sie. Während beispielsweise ihre Mutter zuhause die Wäsche erledigt, ist Lilly in Kanada damit auf sich gestellt. „Ich wasche hier komplett alleine – auch wenn ich das in den Augen meiner Mutter total falsch mache. Ich putze das Bad und halte mein Zimmer ordentlich. Wenn ich daran zurückdenke, wie es bei mir zuhause aussah – daran will ich gar nicht denken.“ Weil Lilly sich nun viele Alltagsgegenstände selbst kauft, lernt sie auch, mit Geld umzugehen. „So lerne ich – im Kleinen – schon jetzt, wie es später mal mit einem eigenen Haushalt ist“, sagt sie. 

 

In Manitoba hat Lilly schon Bekanntschaft mit vielen Tieren gemacht: „Das ist total schön. Ich habe verschiedene Vögel, Kojoten und sogar ein junges Stinktier gesehen“, erinnert sie sich. „Die Landschaft hier erinnert mich an den Norden von Deutschland mit vielen Feldern und Weiden.“ Das schönste Erlebnis bislang für Lilly war aber Thanksgiving: „Dabei habe ich die komplette Familie kennengelernt. Alle haben mich direkt umarmt, das kenne ich so aus Deutschland nicht “, erklärt sie. „Thanksgiving ist ja auch das Fest der Freude, der Freundschaft und der Dankbarkeit. Deshalb freue ich mich jetzt schon auf Weihnachten, vielleicht wird das ja noch schöner.“ 

 

Trotz der eisigen Temperaturen freut sich Lilly schon auf den Winter. Denn viel Sonnenschein sorgt dafür, dass Lilly die Temperaturen von mittlerweile minus 16 Grad trotzdem genießen kann. „Seit fast drei Wochen liegt Schnee“, berichtet sie. „Und es wird ja noch viel kälter. Mein Schulweg morgens ist immer fantastisch. In der Sonne glitzert der Schnee richtig und wenn mich kein Schneesturm erwischt, ist das auch wirklich wunderschön.“ In den kommenden Wochen möchte Lilly noch mehr von ihrer Umgebung kennenlernen. Sie will ein deutsches Restaurant in Brandon besuchen und auch das Städtchen Yorkton genauer unter die Lupe nehmen. Und auch die Kleinstadt Dauphin mit der idyllischen Main Street aus dem frühen 20. Jahrhundert ist einen Ausflug wert.