Anabel ist gut angekommen ...

... an ihrer Highschool in Kingston, Ontario

Ein ganzes oder halbes Auslandsjahr in Kanada ist für viele Jugendliche ein großer Traum. Die Herausforderung, sich alleine in einem fremden Land zu behaupten, lockt Schülerinnen und Schüler aus Deutschland und vielen anderen Nationen. Doch kurz bevor es los geht, wird es dann meist noch einmal spannend. Als es für die 15-jährige Anabel aus Stuttgart an den Abschied ging, konnte sie es gar nicht fassen: Ein halbes Jahr weg aus Deutschland? „In dem Moment war das schon schwer“, erinnert sie sich. „Alle so lange nicht zu sehen – ich war total zwiegespalten. Gleichzeitig habe ich mich nämlich mega gefreut auf alles was auf mich zukommt.“ 

 

Nun wohnt die 15-Jährige schon seit Ende Februar in Kingston, Ontario. Die Stadt liegt zwischen Toronto und Montréal und war einst das politische Zentrum der vereinigten Kolonien von Kanada. Sie liegt in der Grenzregion zu den Vereinigten Staaten von Amerika und nahe bei der beliebten kanadischen Urlaubsregion „Thousand Islands“ nach der sogar ein Salatdressing benannt wurde. Dort sieht es ein bisschen aus wie in Skandinavien: Kleine Inseln, Holzhäuser, viel Wasser, wenige Menschen und endloser Wald. Eine tolle Umgebung für Ausflüge. 

 

Erster Eindruck? Positiv!

„Bis Ende Juni bin ich nun in Kingston und mein erster Eindruck vom Land und den Leuten ist total positiv“, erzählt Anabel. „Meine Gastfamilie war von Anfang an total nett. Meine Gastmutter Carol und mein Gastvater Daniel sind beides Lehrer, meine Gastgeschwister Felicia und Kristen sind 19 und 21 und dann lebt noch meine mexikanische Gastschwester Sophie bei uns. Sie ist 16.“

 

„Die Stadt Kingston ist nicht so groß wie Stuttgart aber schon städtisch und es gibt viel zu sehen. Hier in Kingston wohnt die ganze Familie zusammen in einem Haus“, erklärt Anabel.

„Bevor ich hier ankam, war ich ganz schön aufgeregt und hatte Angst, dass ich mit dem Englisch nicht so zurecht komme oder dass die Leute nicht so offen sind oder mich nicht so akzeptieren wie ich bin.“ Doch nach einem angenehmen Flug kam Anabel in Kingston an und wurde zu ihrer Familie gefahren. Die Begrüßung war entspannt und herzlich und Anabels Sorgen völlig unbegründet. 

Kennenlern-Runde

„Ich bin an einem Samstag angekommen und am Montag drauf hat dann die Schule schon begonnen“, erzählt die 15-Jährige. „Meine Gasteltern haben mir dann am Sonntag noch alles gezeigt, sind mit mir zur Schule gefahren und wir haben uns das Gebäude von außen angesehen. Danach haben sie mir ein bisschen die Stadt und Supermärkte und so gezeigt. Das war toll und hat mir Sicherheit gegeben.“

Als am Montag dann für Anabel die Schule – an der Holy Cross Secondary School in Kingston – begann, startete ihr Tag damit, dass sie ihre Schuluniform entgegennahm, einen karierten Rock mit schwarzer Strumpfhose und eine weiße Bluse. „Meine Schule ist katholisch“, erklärt sie. „Darum tragen wir alle eine Uniform. Die ist auch dazu da, dass wir einander erkennen und uns zugehörig fühlen und als eine Einheit empfinden. Danach hat mir eine Lehrerin, die sich um die Internationals kümmert, mein Schließfach gezeigt und wo mein Klassenzimmer ist und noch andere Fragen beantwortet.“ Dann ging es für Anabel los mit ihren ersten zwei Schulstunden an einer kanadischen Schule. In der Mittagspause führten zwei Schülerinnen die Gastschülerin durch das Schulgebäude und beantworteten ihre Fragen. 

Viele neue Eindrücke

„Nachmittags hatte ich dann noch einmal Schule und dann bin ich nach Hause gefahren. Ich war richtig geschafft“, erinnert sich Anabel. „Es waren einfach echt viele Eindrücke. Die Schule ist viel größer als bei uns in Deutschland, plötzlich war alles auf Englisch, jeder hat auf mich eingeredet, alle wollten so viel wissen und es wurde so viel erzählt. Ich musste die ganzen Informationen erst einmal verarbeiten.“

 

Nun sind Schulweg, Schule, das Englisch und die neue Umgebung schon Alltag für die 15-jährige Gastschülerin. „Morgens gehe ich um 7:50 Uhr aus dem Haus, die Schule beginnt dann um 8:30 Uhr“, erklärt sie. „Das ist später als in Deutschland. Dafür dauert der Unterricht bis 14:30 Uhr. Danach fahre ich mit dem Bus nach Hause oder treffe mich noch mit Freunden. Wir gehen dann zum Beispiel in die Innenstadt. Einmal in der Woche gehe ich abends ins Orchester und spiele Geige.“

Neue Fächer, neue Freunde

Holy Cross Catholic Secondary School Kinsgton Ontario
Anabels Schule auf Zeit: die HCCS in Kingston

„Ich finde, die Schule ist hier in Kanada viel einfacher als in Deutschland“, überlegt Anabel. „Es ist aber ganz gut, weil man je nach Wissensstand in den verschiedenen Kursen in jede Jahrgangsstufe gehen kann. Ich habe also zum Beispiel einen Kurs in der Elften. Somit kann ich das Level selbstständig bestimmen.“ Anabel und die anderen Schüler ihrer Schule haben vier Fächer am Tag. Bei Anabel sind das: Science, Musik – sie lernt jetzt Saxophon spielen – , Englisch und Mathe. Durch die verschiedenen Kurse hat die 15-jährige auch schon Freunde gefunden. „Ich habe schon fünf Freunde“, freut sie sich. „Zwei habe ich in meinem Musik-Kurs kennengelernt und drei sind aus meinem Englisch-Kurs. Die sind einfach auf mich zugekommen. Die meisten finden neue Schüler natürlich interessant und haben mich gefragt woher ich bin und wieso ich da bin. Alle waren total offen und freundlich und viele haben gesagt, dass sie sich das nicht trauen würden.“

 

Anabel hatte also entgegen ihrer Sorgen im Vorfeld keine Probleme, Anschluss zu finden. Auch an den Wochenenden trifft sie sich häufig mit Freunden oder macht Ausflüge mit ihrer Gastfamilie. „Wir sind schon einmal gemeinsam in die USA in eine riesige Mall gefahren“, berichtet sie. „Und wir waren drei Tage an den Niagara Fällen und dann noch zwei Tage in Toronto. Das war richtig cool und eine einzigartige Erfahrung.“ 

Und auch die Zeit beim Orchester macht Anabel großen Spaß. Die Idee, dass sie beim Kingston Youth Orchestra mitmachen könnte, hatten ihre Gasteltern. Nun spielt Anabel dort Geige und hat mit dem Orchester sogar schon einen Preis bei einem Wettbewerb gewonnen. 

Auch wegen dieser Erfahrungen spielt Heimweh für die 15-Jährige keine Rolle. „Ich habe immer etwas zu tun. Ich habe einfach kaum Zeit für Heimweh“, lacht sie. „Nur ganz am Anfang war es eben ein bisschen komisch, wenn ich ganz allein war. Aber im Grunde ist Heimweh bei mir eigentlich nicht vorhanden, vielleicht kommt das ja auch noch...“