Sonja besucht eine High School in Neufundland

Skandi-Flair beim Auslandsjahr in Kanada

Gastschülerin Sonja aus München ist 16 Jahre alt und hat die vergangenen neun Monate in Mount Pearl in der kanadischen Provinz Neufundland verbracht. Nun geht es für die Jugendliche wieder zurück nach Deutschland. 



Hallo Sonja, schön, dass du dir die Zeit für ein Interview nimmst. Gehen wir in Gedanken noch einmal ganz zurück: Wie kam es dazu, dass du ein Auslandsjahr in Kanada gemacht hast?

 

Ich wollte immer schon ein Auslandsjahr machen. Ich finde es schön, eine andere Kultur kennenzulernen, die Perspektive zu wechseln und natürlich wollte ich auch meine Sprachkenntnisse verbessern. Die USA hat mich nicht angezogen – von Anfang an habe ich zwischen Kanada und Großbritannien hin und her überlegt. Ich war aber schon immer ein großer Kanada-Fan. Die Weite hat mich fasziniert, die verschiedenen Regionen und Provinzen. 

 

Dann hast du dich für Neufundland entschieden...

 

Genau. Das Team von Breidenbach Education hat mir drei Standorte vorgeschlagen und ich habe mich schnell für Neufundland entschieden. Ich habe gehört, dass das ein bisschen anders ist als der Rest von Kanada. Ich wollte wissen, was das heißt. Die Provinz sollte sehr klein sein und einen skandinavischen Touch haben. Außerdem sollten die Leute in Neufundland noch netter sein als sowieso schon in Kanada. Das Küstenklima am Atlantik hat mich auch total fasziniert. Die Nähe zum Meer ist schön, das macht mich glücklich.

 

War es trotzdem schwierig für dich, Deutschland und deiner Familie und Freunden den Rücken zu kehren?

 

Mein Abschied aus Deutschland lief an verschiedenen Tagen ab. Ich musste mich erst von meinen Freundinnen verabschieden, da die in den Urlaub gefahren sind. Da konnte ich es noch gar nicht so realisieren, dass ich sie für ein Jahr nicht sehen werde. Ich war noch nicht so traurig, doch je näher die Abreise rückte, desto trauriger wurde es. Der schwerste Abschied war von meinem Bruder, weil wir uns total nahestehen. Er ist noch mit zum Flughafen gekommen und ich bin dann mit meinen Eltern nach Dublin geflogen. Es war gut, dass ich nicht allen drei gleichzeitig Ciao sagen musste. Meine Eltern habe ich dann in Dublin verabschiedet. Meine Hauptgedanken waren dann die Aufregung und das, was auf mich zukommt. Als ich von Dublin nach Kanada geflogen bin, war es irgendwie gar nicht schwer. Ich habe mich gefreut, dass ich in fünf Stunden meine Gastfamilie sehen werde. Ich konnte gar nicht mehr traurig sein, sondern habe mich einfach nur noch gefreut. 

 

 

 

Hat bei deiner Einreise alles geklappt?

 

Der Flug hat super geklappt; nur zwischendurch hatte ich Panik, weil ich einen Zettel nicht ausgefüllt hatte und ich hatte keinen Stift. Meine Sitznachbarin auch nicht und nach zehn Minuten hatte ich endlich einen Stift gefunden. Als ich dann am Ende sah, dass es dort bei der Abgabe auch Stifte gab, musste ich etwas über mich selbst lachen. Es war unnötig, sich solchen Stress wegen eines Stiftes zu machen. Bei der Ankunft wurde ich dann lange von einem Beamten durchgecheckt, der hat dann sogar meiner Gastmutter noch dazu geholt. Als sie da war, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen, denn irgendwie wusste ich: jetzt habe ich ein Zuhause. Sie wirkte vom ersten Augenblick an sehr sympathisch. 

 

Wer gehört noch zu deiner Gastfamilie?

 

Gale und Don sind meine Gasteltern. Gale, meine Gastmutter, ist meist zuhause. Don arbeitet im Hafen. Er ist oft weg und kommt kurz vor dem Abendessen nach Hause. Ich verstehe mich richtig gut mit ihnen. Meine Gasttante Karen wohnt hier auch mit uns im Haus. Ich habe mich hier richtig schnell wohl und wie zuhause gefühlt. Ich habe noch eine spanische Gastschwester, sie heißt Marina. Wir verstehen uns richtig gut und machen fast alles zusammen. Außerdem haben wir auch dieselben Freunde. Und das ist einfach schön.

 

Wie und wo lebst du in Kanada?

 

Hier in Kanada in Neufundland lebe ich in der zweitgrößten Stadt, Mount Pearl. Die hat aber trotzdem nur 23.000 Einwohner, also nicht so groß. Mount Pearl liegt im Osten der Halbinsel Avalon, südwestlich vom Stadtzentrum der Provinzhauptstadt St. John’s. Aber wir haben Busse und damit kommt man meist überall hin oder man kann auch laufen wenn das Wetter nicht zu schlecht ist. Unsere Gasteltern fahren uns auch manchmal wohin. Mount Pearl bietet Kleinstadtfeeling, eine andere Erfahrung im Gegensatz zu München. Wir wohnen in einem Haus mit den Gasteltern und der Tante. Außerdem wohnt unter dem Haus noch die Tochter unserer Gasteltern – sie kommt oft zu Besuch. Wir verstehen uns gut mit ihr, sie ist total lustig. Marinas und mein Zimmer sind nebeneinander, das finde ich cool. 

 

Und wie kommst du mit den anderen Leuten zurecht?

 

Mein erster Eindruck von Land und Leuten war super. Jeder war richtig freundlich und total viele sagen „Honey“ oder solche Bezeichnungen zu einem und da fühlt man sich gleich so eingeschlossen, angekommen und angenommen. Einfach als ein Teil der Gesellschaft. Deshalb hatte ich gleich einen guten Eindruck. Wir sind dann am ersten Tag gleich alle zusammen zu den Hauptattraktionen der Umgebung gefahren. 

 

Hast du dich schnell ans kanadische Schulleben gewöhnt?

 

An unseren ersten Schultag habe ich eine lustige Erinnerung. Noch vor Beginn der ersten Stunde bin ich mit meiner Gastschwester Marina zu Tim Hortons gegangen. Wir wussten, dass das hier in Kanada ein großes Ding ist und haben uns ein Getränk bestellt. Sie einen Ice Cappucino und ich eine Frozen Lemonade. Und diesen Drink bestellen wir uns bis heute immer wieder. Danach sind wir dann zu einem Orientation-Day gegangen. Das war ein interessanter Tag. Danach ging der Unterricht los und schon am zweiten Tag habe ich ein Mädchen im Mathe-Unterricht getroffen, mit der ich mich gut verstanden habe. Sie hat mich angesprochen und gefragt ob ich neu bin, dann haben wir viel und lange geredet und ich konnte sogar ihren Spind mitbenutzen. Das Mädchen heißt Megan und wir sind immer noch sehr gut befreundet. Die schule hier unterscheidet sich sehr vom Unterricht in Deutschland. Hier habe ich nur sieben Fächer. Das Notensystem ist auch anders, es wird nach Prozenten benotet. Außerdem verstehe ich mich hier mit den Lehrern viel besser als zuhause.  Man macht sogar Scherzen mit ihnen... Das ist ganz anders. 

 

Belegst du auch andere Fächer als in Deutschland?

 

Ich belege Mathe und Englisch, Chemie und kanadische Geschichte. Außerdem noch Career Development. Da geht es darum, herauszufinden, wo meine Talente liegen und mich mit Finanzen und Arbeitsgesetzen auseinanderzusetzen. Außerdem haben wir in dem Fach oft Gastredner, die von ihrer Arbeit erzählen. Das finde ich richtig toll. Wir hatte auch schon Leute von verschiedenen Universitäten hier. Außerdem besuche ich die i-music-Klasse. Dort machen wir Musik am Computer, schreiben selbst Musik und nehmen kleine Hörspiele auf. Das macht total Spaß. Ein interessantes Fach ist auch „Family and Relations“ – da haben wir zum Beispiel mal eine Woche eine Babypuppe gehabt, die sich benommen hat wie ein echter Säugling. Das war echt anstrengend – auch interessant – aber ich will das nicht nochmal machen. Neben meinen normalen Fächern habe ich auch bei einem Theaterstück mitgemacht. Ich war total happy, dass ich durch die Auditions gekommen bin. Wir waren sogar bei einem Drama Festival dabei und ich hatte eine Hauptrolle. Das Stück haben wir gemeinsam geschrieben und mit vielen aus dem Kurs bin ich noch gut befreundet. 

 

Das hört sich toll an, du scheinst schnell viele Freunde gefunden zu haben.

 

Ja, wir haben eine richtige Freundesgruppe: das sind meine Gastschwester Marina und ich, ein paar Kanadierinnen, Megan, eine Deutsche und eine Mexikanerin. Dass auch eine Deutsche in der Gruppe ist, ist gar kein Problem, denn wir reden nie deutsch. Das würde ich auch nicht empfehlen. Viele von den Leuten habe ich im Unterricht kennengelernt – zum Beispiel durch Partnerarbeit – da muss man einfach offen sein und keine Angst haben. 

 

Hast du ein Highlight deines Auslandsjahres?

 

Ich habe hier so viel erlebt. Ich war im Chor und im Theater, habe neue Dinge ausprobiert wie Klettern und Ultimate Frisbee. Das war total cool. Außerdem war ich bei der Kirche und in der Heilsarmee aktiv. Doch auch einfach nur mit Freunden in die Stadt zu gehen und Spiele zu spielen macht großen Spaß. Oder wir machen große Übernachtungen – manchmal zu siebt in einem Zimmer. Wir sind fast jede Woche gewandert – zum Beispiel auf den East Coast Trails. Die Natur hier ist einfach wundervoll, auch wenn es durch den Wind sehr kalt werden kann. Skifahren, Water Rafting, der Trans Canadian Highway, Camping und, und, und… Ich durfte hier so viel erleben – das kann mir keiner mehr nehmen. 

 

Danke für deine Einblicke, liebe Sonja.