Ich heiße Christa, bin 15 Jahre alt und habe die letzten fünf Monate (Januar bis Juni 2022) in Kingston, Ontario verbracht. Die Stadt hat ungefähr 120.000 Einwohner (ca. viermal so groß wie meine Heimatstadt), liegt direkt am Lake Ontario und hat eine sehr nette Innenstadt, in der ich viele meiner Wochenenden mit Freunden verbracht habe.
Und dann mal los:
Die Ankunft in Kanada und meiner Gastfamilie war für mich etwas holprig. Ich kam dort im Januar an, als Corona gerade ein ziemlich großes Thema war und musste mich gleich in Quarantäne begeben, bis die PCR-Tests ausgewertet waren, was leider ziemlich lange gedauert hat. Außerdem mussten meine Gasteltern schon ab meinem zweiten Tag arbeiten. Meine 22-jährige Gastschwester hatte sehr viel mit ihrem Onlinestudium zu tun und konnte sich nicht viel um mich kümmern, hat aber ihr Bestes gegeben, um zumindest mit mir Mittag zu essen und mich kennenzulernen. Erschwerend für mich war auch der Umstand, dass im Haus gerade das gesamte Erdgeschoss renoviert wurde, wodurch wir keine Küche hatten. Ich komme aus einer absoluten Teetrinkerfamilie und konnte mir keinen Tee kochen, sondern musste gechlortes Wasser, wie es in Kanada aus der Leitung kommt, trinken, was schon sehr gewöhnungsbedürftig ist. Ich war immer froh, wenn mir Tee mitgebracht wurde. Meine Gastfamilie war aber zum Glück sehr verständnisvoll und sie haben mir auch ein Treffen mit der deutschen Gastschülerin einer befreundeten Familie organisiert, was mir sehr geholfen hat mein Heimweh in den Griff zu bekommen.
Richtig Aufleben konnte ich eine Woche nach meiner Ankunft, als ich in die Schule durfte und dadurch endlich Kanadier in meinem Alter kennenlernte. Im ersten Quadmester (ein halbes Semester, eingeführt dank Corona, was zu nur zwei Unterrichtsfächer pro Tag, anstatt vier, führt) hatte ich Mathe (zuerst Grade 11 College, war für mich als bayerische Zehntklässlerin viel zu einfach, bin dann aber ins Grade 11 University gewechselt) und Vocals. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, wobei es schon echt anstrengend sein kann 2,5h ein einziges Fach zu haben. In jedem meiner Kurse waren jeweils zwei Mädchen aus meiner Freundesgruppe, die ich bereits in den ersten Tagen gefunden habe. Vocals hat mir sehr geholfen mich stimmlich, aber auch persönlich, weiterzuentwickeln. Wir mussten ein paar Lieder Solo vortragen, was sehr beängstigend sein kann. Meine Lehrerin hat aber ihr Bestes gegeben, um es uns einfacher zu machen. Sie hat Spiele gespielt, damit wir uns kennenlernen und grundsätzlich versucht für eine spaßige Umgebung zu sorgen, wofür auch meine Mitschüler immer gut waren. Die Künstler sind einfach immer eine lustige Truppe. Zum Abschluss gab es dann auch ein Konzert, während dem ich leider Corona hatte und nicht mit auftreten konnte, aber immerhin über Teams zusehen durfte. Da es so etwas an meiner deutschen Schule in dieser Form nicht gibt, war ich sehr froh diese Erfahrung gemacht zu haben. Außerdem konnte ich mit dem Video eines spontanen Auftritts mit einem Lied, das ich während meiner Zeit in der Vocals Class gesungen habe, meinen Großvater sehr glücklich machen, der es seitdem immer wieder anschaut, was mich natürlich auch sehr freut.
Im zweiten Quadmester habe ich dann Englisch und sogenannte Outdoor Education gehabt. Ich fand es gut im Englischunterricht gewesen zu sein, da in Kanada, im Gegensatz zum deutschen Deutschunterricht, auch immer die größeren Zusammenhänge und weiterführende Gedanken von der Lehrkraft erläutert werden und nicht einfach nur erwartet wird, dass man alles selbst begreift. Outdoor Ed hat mich, wie Vocals, dann wieder in einem positiven Sinn herausgefordert. Während des Kurses habe ich alles gelernt, was man können muss, um sicher und verantwortungsvoll Campen und Kanufahren zu gehen. Als Highlight des Kurses (und auch meines Aufenthaltes in Kanada) haben wir dann einen viertägigen Trip nach Algonquin, einen nahegelegenen Nationalpark, gemacht, bei dem wir Schüler in Zehnergruppen aufgeteilt wurden und dann, im Prinzip ohne Einmischung der Lehrer, zeigen konnten, was wir gelernt haben. Der Trip war körperlich anstrengend, aber machbar und es hat unglaublich viel Spaß gemacht in Kanadas unberührter Natur Kanu zu fahren. Wir haben sogar ein paar wild lebende Tiere gesehen, darunter auch eine Moose (kanadischer Elch).
Abgesehen vom Unterricht, der dann doch ein wenig anders ist als der Deutsche, hatte ich viele andere schöne Erlebnisse. Meine Gastfamilie hat mit mir Toronto, Ottawa und sogar die Niagarafälle besichtigt, was alles sehr beeindruckend war. Außerdem habe ich an der Schule weiterhin Leichtathletik machen können und war erfolgreich bei drei Wettkämpfen dabei mit Teilnehmern aus immer größer werdenden Bezirken. Außerdem war ich Mitglied der Schulband, die zusammen mit der Vocals Class und den Tanzgruppen an der Schule eine Arts Night veranstalteten. Wir hatten sogar einen kleinen Auftritt in Canada’s Wonderland, einem riesigen Freizeitpark in Toronto, und durften dann den ganzen restlichen Tag dort verbringen.
Ich bin sehr stolz, dass ich alle Herausforderungen gemeistert habe und kann auf jeden Fall nur weiterempfehlen einen Auslandsaufenthalt zu machen, um sich sprachlich, persönlich und kulturell weiterzuentwickeln. Andere Formen des Unterrichts mitzuerleben hat meinen Blick auf Schule geweitet und vor allem viele neue nette Leute kennenzulernen ist unvergesslich!